Vorfreude ist ja bekanntlich … Ihr wisst. Und genauso war es auch. Ich habe mich soooo auf Jürgen, Ha, Maya und natürlich Huyen gefreut. Nach 17 Stunden Flugzeit, waren da diese 4 Passkontrolleure. Diana war schon durch den Zoll – ich musste zurück. Irgendetwas stimmt nicht. Ok – liegt evtl. daran, dass ich vor wenigen Wochen in den USA war – oder es lag an der PassID – denn immerhin war dieses Dokument 2013 mein „Freibrief„ in Vietnam (Way to Huyen). Also – kurz um, Diana holte die Koffer und traf Jürgen – ich stand „mit den sich in Zeitlupe bewegenden Menschen, die Herr über die begehrten roten Stempel sind„ am Schalter und wartete. Knapp 2 Stunden. Dann löste sich das Rätsel. Mein Pass hatte nur noch 4 Monate Gültigkeit. Entweder ich zahle $140 oder der Flieger geht in 30 Minuten. Was habe ich wohl gewählt?
Eine Stunde später kam Huyen an. Der erste Flug in ihrem Leben. Wir trafen uns nun schon zum dritten Mal. Unglaublich, wie erwachsen sie geworden ist. Aus dem „Mädchen vom Feld„ ist eine hübsche, junge Frau geworden. Es gab Blumen, es gab Umarmungen und Fotos.
Auf dem Weg nach Hai Doung war es sehr still im Auto. Jürgen fuhr, Diana und Huyen schliefen, ich schaute durch das Fenster. Die Landschaft flog an mir vorbei – Erinnerungen schlichen sich ein. Die Luft, dieser Geruch ist anders als bei uns, viel intensiver. Zwischenstopp in Jürgens Pizzeria. DAS kalte Bier wartete auf mich und Hien – die gute Seele des Staff. Sie hat hier die Fäden in der Hand und wird in Huyens Leben eine wichtige Rolle einnehmen – später dazu mehr. Umarmungen, Küsse, liebe Worte und Fotos. Dann ein großer Teller Spagetti mit Gorgonzola und gebratener Salami.
Zeit für Geschenke. Ha hatte sich viele Kosmetiksachen von Nivea gewünscht, hier in Vietnam bekommt man nur eine minderwertige Qualität, Made in Thailand. Jürgen bekam Weißwurst und Salami, Maya Schokolade und Lesebücher. Und dann war da ja noch Huyen. Dianas Freundin Mina hat viele schöne Sachen aussortiert – alle in einem Topzustand. Tränen hatte sie in den Augen und wurde sehr ruhig.
Hien sprach sehr lange und eindringlich mit Huyen. Huyen ist mittlerweile 17 und besucht die Hochschule. Noch vor 8 Jahren arbeitete sie auf dem Feld, damit die Familie etwas mehr Geld für das tägliche Leben hatte. Das machen viele Kinder – Arbeiten statt Schule. Genau in dieser Zeit begann meine Patenschaft. 30 lächerlich Euro im Monat haben bewirkt, dass Huyen nun zur Schule gehen kann und eine Zukunft hat. Hien zeigte ihr den Weg. Huyen kann – in Absprache mit Jürgen und dem Verein Stars of Vietnam – in ein oder zwei Jahren hier eine Ausbildung machen. Erst im Restaurant, damit sie ihr Schüchternheit verliert und besseres Englisch lernen kann und später wird sie als Reisebegleiterin bei AEA (Jürgens zweites Standbein in Vietnam), den Vietnamesen und Ausländern „Ihr„ Vietnam zeigen. Perfekt – vom Feldmädchen zur verantwortungsvollen Selbstständigkeit. Huyens Augen leuchteten.
Der lange Flug, die Zeit im Restaurant und später in der Familie, merkten wir mittlerweile. Wir waren 36 Stunden auf den Beinen. Wir fielen wie Bambusstangen ins Bett.
Der nächste Tag. Frühstück mir Ha‚s Eltern, Jürgen, Maya und Katze. Es gab Kaffee, Brot und die von uns mitgebrachten „Weißwürstl„ mit süßem Senf – Frühstück mal anders. Danach organisierten wir, auf dem Weg zum Kinderheim, einen Beamer und Leinwand, für die Vorstellung „Way of Ella„ am Sonntag.
Zwischenhalt: Das neue Blindenheim in Hai Duong. Unglaublich, was meine Augen sahen. Ich kenne das alte Gebäude, den Geruch nach Schimmel, Schweiß, Kot und Urin. Feuchtigkeit an und in den Wänden, die auseinander brachen. Das hier, war das Paradies für die behinderten Kinder. Der Duft von Reis und Gemüse stieg mir in die Nase. Frische Farben auf neuen Wänden, weiße Sanitäranlagen, freundliche Zimmer, sauber und einladend. Kindergesang aus dem großen Gemeinschaftsraum.
Mr. Vy alias Mr. Crazy spielte Gitarre und die Kinder sagen laut in ein Mikro – andere spielten Trommel oder Klangstäbe. Sie hörten uns und wir waren umzingelt von „wilden Händen„.
Ich traf auf Hoa (13). Sie hatte ich 2013 das erste Mal getroffen. Schüchtern, fast apathisch saß sie in der Ecke, Rotze lief ihr aus dem Mund, ließ niemanden an sich ran. 2014 sprang sie mir um den Hals, küsste mich und sagte „I love you„. Heute 2016 ist sie die „große Schwester„ hilft Neuankömmlinge und kümmert sich um viel kleine und große Dinge. SIE hat eine Aufgabe bekommen, SIE ist etwas wert!! Und genau das ist das Anliegen von „Stars of Vietnam„. Den Kindern zeigen, sie sind etwas wert.
Wir verteilten Schokolade und Oma Connys Schickimicki-Schmuck. Ketten, Armbänder, Ohrringe. Die Augen, auch die blinden, leuchteten wir ein Feuerwerk zu Silvester. Immer wieder „befummelten„ und die Kids, nahmen uns in den Arm, setzten sich auf unseren Schoß. Wie spielten sehr lange miteinander. Huyen war auch völlig ausgewechselt – sie hatte Kontakt zu Menschen, denen es noch weniger gut ging als ihr – auch für Huyen war es eine neue Welt. Den ganzen Tag und auch gestern, sprach sie nur wenige Worte mit uns – sie war immer noch das „scheue Reh„ das ich 2013 zum ersten Mal traf. Hier aber im Kinderheim blühte sie auf, spielte mit den Kindern, sang mit ihnen und kümmerte sich. Das wird ihre Richtung sein – Verantwortung! Ich bin so stolz – kann das niemals in Worte fassen.
Anschließend schlenderten wir über den Markt – buntes Treiben – lebende Lebensmittel zwischen frisch geschlachteten und das bei über 33 Grad, ohne Kühlhaus – Gruß an die deutschen Behörden – es geht auch anders! Ich aß zum ersten mal frittierte Wachteleier – sehr lecker. Jedoch bei lebenden Würmern sagte ich (noch) nein.
Es wurde Zeit die Show aufzubauen. Ab zum Restaurant. Beamer aufgebaut, eine riesige Leinwand in schwindelerregender Höhe angebracht – erster Probedurchgang. Ein Teil des Staff und ein paar Gäste schauten zu. Perfekt – Bild steht, Ton läuft, Pizza, Bier, Bett.
Bett? Von wegen. Im Garten bei Oma und Opa hockten wir bis der Hahn krähte. Wir hatten eine tolle und sehr intensive Unterhaltung mit Florian und Caro. Die beiden machen freiwilligen Arbeit bei Jürgen und sind somit auch „ins kalte Wasser„ geschmissen worden, weil in Vietnam kann man Pläne machen – die taugen aber nix. Besser ist es in eine angepeilte Richtung zugehen. Der Rest passiert. Wir redeten über das Kinderheim, über die Schmerzpatienten, über Tod und Leben und über die eigenen Lebenswege, die uns hier an den Holztisch gebracht haben. Und der Hahn krähte immer noch. Gute Nacht Vietnam – ich liebe meine zweite Heimat!
(Fotos: Diana Otte, Steffen Hällmayr, Hien Sorbello)
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